“Der stille Koog” von Ilka Dick – eine Rezension von Ulrich Stenzel

Regionalkrimis sind schwierig zu besprechen. Bei allem wünschenwerten Lokalkolorit weisen sie große Qualitätsunterschiede auf. Wird die Handlung stimmig erzählt, sind die Handlungsstränge geschickt miteinander verknüpft, wirken die Personen wie Holzfiguren oder werden sie plastisch beschrieben? Der hier anzuzeigende Kriminalroman weckt Aufmerksamkeit, weil die zentrale Figur, die Kriminalkommissarin Marlene Louven, nach einer Erkrankung ertaubte und jetzt zwei CIs trägt. Damit wird gleich auf den ersten Seiten der Takt angeschlagen. Herauskatapultiert aus dem vertrauten Hören muss sie sich mit dem Nichthören und dem Hören mit CI herumschlagen. Diese besondere Note macht den Krimi reizvoll. Schon allein aus dem Grund greift man neugierig zu dem Krimi und verschenkt ihn gerne in seine Umgebung. Doch diese Figur alleine rechtfertigt nicht, von einem besonderen Krimi zu sprechen. Die Qualität muss stimmen.

In dem Krimi ist Louven nicht im Dienst. Sie ist wegen ihrer Ertaubung vorerst dienstunfähig. Um nicht einfach Trübsal zu blasen, fährt sie zu ihrer Schwester an die Westküste. Prompt gerät sie in einen Mordfall, was nicht erstaunt. Schließlich ist der Krimi der rote Faden, der durch das Buch führt. Die Hör- oder Nichthörerlebnisse von Marlene Louven werden drumherum gestrickt. Sie kämpft mit ihrer Ertaubung, sie muss sich an das CI gewöhnen, mit dem die Musik sich so anders scheußlich anhört. Und überdies hört sie mit dem CI nicht optimal. Eindrücklich führt die Verfasserin den Lesern das vor Auge, wenn sie die gesprochene Sprache so darstellt, wie sie bei Louven ankommt, z.B.: „Sprechen wegen….kam keiner…Tür…brannte ja Licht…“ Louven müht sich ab, aus dem wenigen Gehörten eine sinnvolle Aussage zu machen. Sie scheitert immer wieder. Nicht aufgeben heißt hier die Devise. Sie schafft es auch dank ihrer Schwester und einigen anderen Personen, die ihr Verständnis entgegenbringt. Mangelndes Verständnis von anderen wird auch geschildert. Kurzum, Marlene Louven durchläuft alle Phasen der Freude und der Verzweiflung.

Die Lösung des Kriminalfalls ergibt sich am Ende. Eine Lösung für das Hören ergibt sich nicht. So wird ein Happy End vermieden, das völlig unrealistisch wäre. Das ist das Charmante an dem Krimi: er ist flott und gut erzählt, die Handlungsstränge passen zusammen. Und die Personen repräsentieren zwar bestimmte Typen, sind aber nicht holzschnittartig in die Landschaft gestellt. Der Leser bleibt dran und wünscht sich vielleicht mehr Informatonen zur Hörsituation von Louven. Aber das ist die Frage, wieviel CI-Hören und wieviel Krimi die gute Mischung ausmachen.

Kurzum, es lohnt sich. Ich selber habe ihn einige Male verschenkt. Auch solche, die nicht unbedingt zu Regionalkrimis greifen, weil sie oft schlecht geschrieben sind, waren von dem Krimi „Der stille Koog“ angetan.

Ilka Dick, Der stille Koog. Küsten Krimi. Köln : Emons Verlag, 2019. ISBN 978-3-7408-0503-6